Schattenprojektion als Einfallstor für Leiden
Schattenarbeit
Nur wenn du das Böse, das in der Welt am Werk ist, wirklich verstehst und siehst, wirst du wissen, was nötig ist, um es zu besiegen. Die meisten Menschen haben keine Ahnung und sind vielleicht nicht einmal ansatzweise bereit, sich dem zu stellen. Aber du kannst es nur in dem Maße objektiv und ohne getrübte Wahrnehmungen und Projektionen erkennen und sehen, wie du dich deiner eigenen Dunkelheit gestellt hast.
Das ist die Essenz der Schattenarbeit, ein Begriff, der heutzutage sehr gehypt und falsch verwendet wird, meist auf eine verzerrte intellektuelle Art und Weise, denn die Arbeit ist tief, ein Eintauchen in die archetypische Unterwelt. Das Ego als operative Kontrollinstanz und Vermittler zwischen den Welten hat Angst vor diesem Prozess. Die okkulten, feindlichen Kräfte nähren sich von dieser Angst und halten die Menschheit an sie gefesselt. Aber der einzige Ausweg ist der Weg nach innen und hindurch.
Schattenarbeit ist somit ein wesentlicher Teil der innerpsychischen Prozessarbeit, die der Mensch in seiner Individuation früher oder später leisten muss. Der kürzeste und schnellste Weg zum wahren Selbst führt mitten durch die Dunkelheit. Der Widersacher hat diesen wichtigen Pfad mit Fallen, unzähligen Umleitungen und Sackgassen versehen, damit wir irritiert, aufgehalten und zur Umkehr bewogen werden. Ich erinnere gern an das Mantra des Meisterexorzisten Padmasambhava, welches uns stärkend auf dem Pfad begleiten kann: „Je stärker der Feind, umso stärker werde ich.“
„Man wird nicht erleuchtet, wenn man sich Lichtfiguren vorstellt, sondern indem man die Dunkelheit bewusst macht.“
-Carl Jung-
Schattenprojektion
Ein wesentlicher Mechanismus in der psychotherapeutischen Prozessarbeit ist die Schattenprojektion. Der Begriff beschreibt eine klassische Abwehrstrategie der Psyche, um sich selbst mit eigenem verdrängten Schmerz über eine Projektion nach Außen zu konfrontieren. Ungesehene eigene Anteile werden dabei unbewusst über einen anderen Menschen gestülpt und als fremd benannt. Jemanden zum Sündenbock erklären, ist das klassische Beispiel dieser unheilsamen Strategie. Es ist eine Kombination aus einem Rettungsversuch der Seele die eigenen Anteile doch noch zu integrieren und einer plumpen Abwehrstrategie des Egos. Um Schattenprojektion zu verstehen, ist es hilfreich die Bildersprache der Seele zu verwenden. Carl Gustav Jung verwendet den Begriff eines Hakens, der benötigt wird um eine Projektionsfläche, wie eine Leinwand für den Schatten aufzuhängen. Der Mensch mit dem Schatten „sieht“ dabei in einem anderen Menschen eine Art Resonanzfrequenz für seinen Schatten, einen passenden Aufhänger, den er bei sich nicht wahrnehmen kann und nutzt ihn als Haken für die Leinwand für die Projektion.
„Leider besteht kein Zweifel daran, dass der Mensch insgesamt weniger gut ist, als er sich vorstellt oder sein will. Jeder trägt einen Schatten und je weniger er im bewussten Leben des Einzelnen verkörpert ist, desto schwärzer und dichter ist er. Wenn eine Minderwertigkeit bewusst ist, hat man immer die Möglichkeit, sie zu korrigieren. Darüber hinaus steht es in ständigem Kontakt mit anderen Interessen, so dass es ständig Änderungen unterworfen ist. Aber wenn es unterdrückt und vom Bewusstsein isoliert wird, wird es nie korrigiert. Es kann außerdem in einem Moment der Unwissenheit ausbrechen. Auf jeden Fall bildet es einen unbewussten Haken, der die jüngsten Versuche blockiert. “
-Carl Jung-
Die eigene Blindheit für etwas Schmerzhaftes im Inneren, projiziert die unbewusste Psyche nach Außen, so dass wir es besser sehen können. Es erscheint uns dann böse oder als Stachel im Auge des Anderen. Übersehen oder missinterpretieren wir den Versuch der Psyche, uns so zu helfen, und erkennen nicht den zugrundeliegenden Balken in unserer Sicht, so werden wir Opfer der Schattenprojektion und jagen „Windmühlen“ oder kämpfen tatsächlich mit unserem eigenen Schatten! Was so bildlich dargestellt kindlich naiv bis idiotisch erscheint, ist leider alltäglich und klassischer Umgang bei einem Großteil der Menschen mit unerlöstem Schmerz. Jeder Krieg ist Ausdruck dieser unbewussten Dynamik und zeigt die Notwendigkeit der Hauptakteure sich psychotherapeutisch behandeln zu lassen. Der Wahnsinn gepaart mit Machtstreben, den die Völker dieser Erde untereinander unbewusst ausleben, ist krank. C.G. Jung sprach von der totalitären Psychose, Wilhelm Reich von der emotionalen Pest. Diese kollektive Erscheinung liegt im Unbewussten und kann aktiviert werden und dann über den nicht integrierten Schatten der Individuen ausgelebt werden. Diese Dynamik ist alltäglich sichtbar und doch ist ein Großteil der Menschen völlig blind, also unbewusst dafür.
Wenn wir bereit sind uns dem inneren Schmerz als Auslöser für Schattenprojektion zu stellen, den verwundeten Aspekt unserer Selbst zu heilen und zu reintegrieren, befreien wir unser wahres Selbst von diesem dunklen Schattenregime und kommen wieder Kontakt mit unserer ursprünglichen und natürlichen Kreativität, die wir dann in heilsamere Bahnen als Schattenprojektion lenken können.